BRIEF AN DIE FREUNDE VOM KLOSTER MAR MUSA 1996 / 97
Dieser "Brief an die Freunde des Mar Musa Klosters" hätte zu Weihnachten fertig sein sollen, nun hoffen wir, dass er Euch zu Ostern erreicht. In meinem und im Namen der Gemeinschaft bedanke ich mich herzlich bei allen, die uns Ihre besten Wünsche gesandt haben. Das Abendgebet ist die Zeit, während der wir Euch alle im Geiste der Solidarität treffen. Dort fühlen wir uns Euch nahe und dort erfahren wir Eure Teilname an unserem gemeinschaftlichen Abenteuer.
Der Brunnen
Ich habe abgewartet Euch die Neuigkeiten zu senden, weil ich hoffte Euch die erfolgreiche Fertigstellung des Brunnens mitteilen zu können. Wir haben das alte 250 m tiefe Bohrloch aus dem Jahre 1990 erweitert. Wir erreichten 502 m, und die Freude war gross, als wir entdeckten, dass das Wasser bis auf 370 m stieg. Operation gelungen! Dann kleidete die gleiche Firma, die Bohrung gemacht hat den Brunnen in seiner ganzen Länge mit einer Stahlverschalung aus. Wir zahlten einen grossen Teil des abgemachten Preises (ca. $ 20'000) und kümmerten uns um die Beschaffung der Untergrund-Pumpe und des Generators. Freunde aus Aleppo haben uns dabei sehr geholfen. Im Juni war alles bereit. Als wir die Pumpe hinablassen wollten zeigte sich ein Problem. Entweder hat es seinen Ursprung in der Installation der Verschalung oder sogar in der Bohrung selbst: Es war unmöglich das Wasser zu erreichen. 1, 2, 3 Versuche ohne Erfolg, Diskussionen und Beschuldigungen ohne Ende. So verging der Sommer. Endlich entschied sich die Bohrfirma zurückzukommen und den Schaden zu beheben; und die Situation verschlechterte sich sogar noch: Die Pumpe fiel auf den Grund des Brunnens, ein grosser Teil der Verschalung wurde zerstört ... und Flucht der Firma mit Sack und Pack. Im Dezember unternahmen wir, mit einem Brunnenbohrer aus Nebek, einen letzten Versuch den Brunnen zu retten. Trotz grossen Einsatzes konnte er wenig ausrichten. Der Brunnen ist 'tot’, die Pumpe zertrümmert in der Tiefe. Angeschlossen an den Brunnen ist ein forst- und landwirtschaftliches Projekt, grösstenteils von der Schweiz finanziert, durch welches wir hofften einmal unseren Unterhalt zu verdienen.
Wir entstiegen dieser Prüfung bescheidener, weniger machtvoll, doch besser vereint und stärker zum Erfolg entschlossen. Wir mussten uns zwingen, uns nicht ganz von dieser Unternehmung fangen zu lassen, sondern uns zu üben die Grundwerte unserer Berufung hier zu vertiefen.
In den nächsten Tagen werden wir erfahren bis zu welchem Punkt die ursprüngliche Bohrfirma ihren Vertrag respektiert. Die Hoffnung ist klein, wenn wir ihre bisherige Haltung berücksichtigen. Wir versuchen einen Prozess, dessen Länge und Ergebnis ungewiss ist zu vermeiden.
In der Zwischenzeit haben wir damit begonnen einen zweiten Brunnen unter dem Kloster am Ende des Tales zu graben. Das Wasser sollte dort in einer Tiefe von c. a. 200 m zu finden sein... und die neue Bohrfirma ist einverstanden erst am Ende der Arbeiten bezahlt zu werden. Dieser Brunnen kostet einen Drittel des Preises des Ersten, Oberen, und wird, so Gott will, den Bedarf des Klosters, der kleinen Käserei und unseren experimentellen Garten decken. Letzterer wird einerseits dem ziehen von Bäumen, die Ziegen vertragen und ernähren, andererseits für die Entwicklung unserer Landwirtschaft verwendet. Auf alle Fälle kann der neue Brunnen nicht den Ersten ersetzen. Von diesem hängt die Bewässerung des grössten Teiles unseres landwirtschaftlich nutzbaren Landes und, in grösserem Masse, des zweiten Gartens ab. Diese Projekte sind sehr wichtig für uns und für unseren Einsatz für eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung dieser Region.
Wir benötigen Hilfe, wenn Ihr Lust habt uns zu unterstützen; dies ist der richtige Moment.
Die Gemeinschaft
Das vergangene Jahr war für unsere klösterliche Gemeinschaft eine Zeit der Wahl. Zwei unserer Novizen verliessen uns: George und Badri. Austritte während des Noviziats erstaunen nicht und sie sind unvermeidlich, selbst später noch. Es ist wichtig, dass sie nicht als ein menschlicher oder spiritueller Misserfolg erlebt werden, sondern als Zeichen des Wachstums, das sich in einer bleibenden Freundschaft mit dem Kloster zeigt. Sicher müssen wir über die Zartheit unserer Berufung in unserer Gemeinschaft nachdenken, die sich ist nicht nur in der Zeit der Gründung, sondern sich auch in einem vielschichtigen kulturellen und kirchlichen Zusammenhang befindet. Ich selbst fühle die Last meines Charakters neben meiner Verantwortung hier.
Wir haben zwei neue Eintritte ins Noviziat: Jens, ein Deutschschweizer, der nach seiner Taufe in der letzten Osternacht hier beschlossen hat Mönch zu werden und Boutrus, ein Syrier aus Hassake. Im zweiten Jahr des Noviziats sind jetzt Huda aus Damaskus, Renata aus Mailand und Nabil aus Aleppo. Im dritten Jahr ist Elena; auch eine Ambrosianerin. Badiaa aus Damaskus ist im Augenblick die einzige Postulantin, doch erwarten wir in den nächsten Monaten noch andere.
Pater Jacques kommt und geht vom und nach dem Libanon, wo er einem Spezialisierungs-Kurs in orientalischer Liturgie zu seiner und seiner Professoren vollen Befriedung besucht. Die Mönche des maronitischen Baladita-Ordens sind so zuvorkommend, ihn gratis zu beherbergen.
Im Dialog gen 2000
Ein Höhepunkt war im Juni die Islam-Studienwoche mit einem jungen Scheich aus Damaskus. Von da an studiert unsere Gemeinschaft mehrmals in der Woche gemeinsam den Koran, was uns in eine tiefere Verbindung mit der 'Umma', der islamischen Gemeinschaft bringt.
Wir in Dair Mar Musa wollen uns der Liebe Gottes in Jesus von Nazareth für den Islam, die Kinder Hagar's, die Ismaeliten, gesegnet durch die Fürsprache Abrahams, hingeben. Wir wollen Gebet sein für den Islam mit dem Gefühl der Freundschaft und der Achtung. Der Wert einer solchen Haltung kann nicht mit dem Zollstock des diplomatischen Erfolges gemessen werden und geht dem eigentlichen Dialog voraus. Wir erlebten tief das Martyrium der sieben Trappisten in Algerien mit. Trotz der Gefahr und der Unsicherheit blieben sie freiwillig dort, als Zeugen der Liebe der Kirche, die trotz den geschichtlichen Schwierigkeiten, ihrer Quelle, dem wunden Herzen des Herrn, treubleibt. Massignon sagte einmal, dass der Islam in seiner polemischen Verweigerung der Inkarnation und seiner eifersüchtigen Verteidigung der Transzendenz im Lanzenstoss, der die Wunde an der Seite Jesus' verursachte vorgezeichnet ist. So ist die Kirche, als Leib Christi, gesegnet mit einer besonderen und, zugleich, universellen Liebe. Unser Eintreten für den Islam ist ein Ausdruck der Universalität , des Katholizismus', unseres Glaubens.
Was mich bewegt, ist der totale Mangel an Heldentum in den Märtyrern des algerischen Atlasses: Sie haben sich nicht für besser oder weniger schuldig gehalten, als die, die sie töteten. Muslimin der ganzen Welt sehen in diesen sieben ein eschatologisches Zeichen der Aussöhnung und des Lebens.
Einige Monate vor seinem Tod, der drückte sich der Prior Pater Christian deutlich für einen theozentrischen christlichen Monotheismus aus: "Die Bibel und der Koran sind monotheistisch. Jesus bekennt sich zu dem einen Gott. Und, trotz allem was einige Theologen sagen, das Christentum ist nicht Christuszentriert: Christus ist 'total dem Vater zugewandt'" (Pro Dialogo, 1996|3, s. 316). Meiner Meinung nach ergibt aus der christuszentrierten Theologie eine Gefahr, dass eine christuszentrische psychologische und historische Haltung hinzukommt, die das Zeugnis Christus vom Vater gab und dessen Beispiel wir eingeladen sind zu folgen, verfälscht. Die Geschichte in Zwei teilen, in ein Vor und ein Nach Christus könnte heissen die zentrale Stellung der 'christlichen Zivilisation’, die sich in der Geschichte durch Kolonialismus ausgedehnt hat zu bestätigen, ohne deren evangelischen Wert mitzuteilen. Jesus eröffnet die "verheissene Zeit", ohne die Geschichte der Menschheit zu unterbrechen. Seine Art des sich ins Zentrum Stellens ist die "desjenigen der dient". Jesus wählt für seinen Auftritt in der Geschichte die Peripherie, wählt provinziell, schwach und gewaltlos zu sein. Er setzt den Anderen ins Zentrum, den Vater, den Nächsten.
Wenn wir alle beschlössen die Jahre, z.B. vom Datum der allgemeinen Deklaration der Menschenrechte zu zählen, hätten die Jünger Christi nichts dagegen einzuwenden, und wären glücklich "die Brüder zusammenlebend" zu sehen. Trotzdem wird es schön sein, einfach und bewegt, die zweitausend Jahre Jesus' Gegenwart in unserer Geschichte zu feiern. In Dair Mar Musa wird, hoffentlich, die Restauration der Fresken beendet sein, und es uns möglich sein wird die Kapelle des Klosters wieder zu weihen. Wir hoffen, dass die Muslimin, welche die Jahre nach der Hegira, der Auswanderung des Propheten zählen, brüderlich an unserer Freude über das Jubiläum teilnehmen können, da auch für sie die Mysterien von Jesus und Maria grosse spirituelle Wichtigkeit besitzen.
Die dynamische Entwicklung der Dezentralisation ist nicht ohne kirchliche Folgen, da sie uns dahin führt uns nicht mehr an die Definition unserer Identität durch Unterscheiden und Ausgrenzung zu klammern, sondern vielmehr dadurch, dass wir ein Himmlisches Jerusalem, zu welchem wir zu und durch immer weitere Horizonte aufsteigen, in die Mitte unserer Welt stellen.
Als eine monastische Gemeinschaft, die in einer Logik des Glaubens und der Treue, Teil der katholischen Kommunion ist, wollen wir im Dienste der ökumenischen Kommunion leben. Und als eine ökumenische Gemeinschaft wollen wir uns einen Standpunkt der brüderlichen und menschheitlichen Gemeinschaft einnehmen.
Tag für Tag
In diesem Geiste und mit grosser Freude beherbergten wir eine Studienwoche zur Jugendarbeit mit dem Thema, Ausbildung in Ökologie und Umweltschutz in den Kirchen, organisiert vom Ökumenischen Rat des Mittleren Ostens.
Ein anderer wichtiger Augenblick war der Monat der Exerzitien St. Ignazius im November. Ein Mitglied unserer Gemeinschaft, Huda, hat sich ihnen mit zwei Gästen ganz unterzogen. Andere haben während zwei Wochen oder acht Tagen teilgenommen. Das ganze Kloster befand sich während dieser Zeit in einer Stimmung der Stille, die erlaubte das Wesentliche wiederzufinden.
Die Gemeinschaft ist vertieft sich mehr und mehr in die arabische Sprache. Sie ist für uns ein Verständigungsmittel und, viel wichtiger, die Sprache unserer Mission und unserer spirituellen Identität. Deshalb unternehmen wir auch eine grosse Anstrengungen unsere hauptsächlich arabische Bibliothek so zu gestalten, dass sie einfacher zu benutzen ist und zu aktualisieren.
Unsere Gastfreundschaft wird mehr beansprucht, dies ist nur teilweise eine Folge der Sendungen im Fernsehen, die das Kloster in verschiedenen Ländern vorgestellt haben. Es gibt den Zehn-Minuten-Tourist, den Diplomaten, der ein Freund geworden ist und immer eine Flasche guten Weines mitbringt, viele muslimische Familien aus Nebek und der Region, Sport- und Kulturklubs, alle Arten von kirchlichen Gruppen, Menschen, die zu spirituellen Übungen zu uns kommen und solche, die einige Monate mit uns bleiben um ihren Weg im Herrn zu suchen.
Es hat sich eine spezielle Freundschaft mit einer Gruppe Laien, die sich dem Dienst an den Ärmsten und der Ausgestossenen von Aleppo gewidmet hat, entwickelt. Diese wurde durch Lutfi, einen jungen Arzt, der eine radikale Wahl des selbstlosen Einsatzes gemacht hat, ins Leben gerufen. Manche von uns verbringen einige Zeit mit ihnen, um sie zu unterstützen.
Die Zukunft
Wir sind zufrieden, dass wir, ausserhalb des alten Klosters, neue Räume für die Mönche und für Gäste bauen konnten, und wir hoffen während diesem Jahr mit dem Bau derjenigen der Schwestern beginnen zu können. Es handelt sich nicht darum unsere Gastfreundschaft zu schmälern, sondern den kontemplativen Charakter unserer Berufung zu erhalten. Es ist auch angebracht gesonderte Räume für das Leben beider, unserer weiblichen und männlichen Mitglieder, der Gemeinschaft zu schaffen. So wollen wir tiefer auf die mit unserer Wahl des monastischen Lebens verbunden Zuneigung zur Askese einlassen. Es wird genügend Raum für das Gemeinschaftliche Leben erhalten bleiben. Wirklich, wir erfahren die Schönheit eines brüderlichen Lebens zwischen Frauen und Männern. Wir wollen die tröstende Bestätigung zu sein, dass es, in der Art der gemischten Gemeinschaft Jesus’ und seiner Freunde, möglich ist gegenseitige Angst und Missverständnis zu überwinden.
Während des Jahres 1997, werden wir damit beschäftigt sein unsere erste Fassung unserer Regel, auf Grund von Texten, die wir dazu in den letzten Jahren erarbeitet haben, zu entwerfen. Wir bitten Euch um eure Hilfe durch Eure Gebete oder dadurch, dass Ihr uns einfach die Werte mitteilt, von denen Ihr im Herrn fühlt, wir sollten sie stärker betonen, entwickeln oder ändern.
Zu meiner kanonischen Situation: Es ist klar, dass die Fristen eine Entscheidung noch vor dem Sommer verlangen. Ich hoffe, dass wir zu einer Einigung zwischen der Kompanie Jesu’ und der Diözese kommt, die es mir erlaubt meine Arbeit in Dair Mar Musa fortzusetzen, ohne auf die Mitgliedschaft zur Kompanie verzichten zu müssen. Während des letzten Jahres, wurden die Gespräche mit dem Bischof und den Jesuiten Patres intensiviert und es gibt Hoffnung auf eine positive Entwicklung. Ich bitte Euch deshalb um einen Gedanken an mich in den nächsten Monaten und auch um ein Gebet für unseren Bischof Musa, der mit den schwierigen Änderungen seiner Diözese beschäftigt ist.
Bittet um Frieden
Ich schreibe Euch diesen Brief in den letzten Tagen der Fastenzeit des Islam, des Ramadan’, der für uns eine wertvolle Möglichkeit zur spirituellen Solidarität mit dem Grossteil der Frauen und Männern dieser Region war. In diesem Zusammenhang ist die Fastenzeit auch eine Gelegenheit die Bemühungen zum Frieden, der hier im Mittleren Osten so schwierig zu erreichen ist, zu verstärken. Jerusalem ist, mit Augenblicken der grossen Hoffnung und anderen der herben Enttäuschung, immer noch das Zentrum unserer Sorgen. Es ist nicht möglich einen monopolistischen Anspruch dieser Orte zu anzunehmen, wo nur durch die Durchsetzung der Menschenrechte das “Recht Gottes” verwirklicht wird. Wir können uns nicht einer Logik der gewaltsamen Besitznahme und Ablehnung des Nächsten ergeben, weil dies hiesse die heilige Verbindung zwischen den drei monotheistischen Religionen und der Heiligen Stadt unterzubewerten. Wenn dies mit Jerusalem passiert, zwischen Israelis und Palestinern, zwischen Juden, Muslimin und Christen, unter den Kindern Abrahams, wie könnten wir noch glaubhaft über Frieden sprechen?
Zu letzt kann ich Euch allen nur danken für Eure Freundschaft und Eure Hilfe, die Ihr mit bewegender Grosszügigkeit gegeben habt. Kommt uns besuchen! Es ist einfacher als Ihr Euch vorstellt und Ihr braucht Euch nicht anzumelden.
Von hier aus wünsche ich Euch, auch im Namen der Gemeinschaft schöne und heilige Ostern.
p. Paolo